Madsen sieht Lücken im 66-Punkte-Plan der Ampel für souveräne Maritime Wirtschaft

Der Bundestag hat heute ein 66 Punkte umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, mit dem die Berliner Ampelkoalition die Maritime Wirtschaft und ihre knapp 400.000 direkt und indirekt Beschäftigten stärken und souverän machen will. Es geht unter anderem um die Sorge, dass die zunehmende Dominanz asiatischer Staaten beim Schiffsbau, in der Wasserstraßen-Infrastruktur oder bei Energietransporten über das Meer die deutsche Wirtschaft in neue Abhängigkeiten bringt.

Segelboot vor der Halle der Flensburger Schiffbaugesellschaft FSG. grafikfoto.de

Nach den Worten von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen spielt dabei das nördlichste Bundesland mit seinen Werften und Zulieferbetrieben eine erhebliche Rolle: Mit landesweit 2.100 Unternehmen, die der maritimen Wirtschaft  zugerechnet werden, steuert Schleswig-Holstein zum bundesweiten Umsatz von knapp 47 Milliarden Euro gut 11 Milliarden Euro bei.

Madsen sieht in dem Antrag der Berliner Regierungsfraktionen, dem sich auch der einzige SSW-Abgeordnete angeschlossen hat, «viele gute Ansätze, aber auch deutliche Lücken». Vor allem vermisst er aus Sicht Schleswig-Holsteins und anderer Küstenländer bei den großen Zielen der Ampel Hilfestellungen für kleinere Werften, eine klare Finanzierungslinie für den Erhalt und Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals sowie eine Erwähnung des Elbe-Lübeck-Kanals samt seiner Chancen für eine autonome Binnenschifffahrt. Auch die CDU-Bundestagsfraktion hatte einen 95-Punkte-Antrag eingebracht, der allerdings keine Mehrheit fand.

Claus Ruhe Madsen

Minister Madsen, Sie sehen in dem Forderungskatalog von SPD, Grünen und  FDP viel Licht, aber auch Lücken. Beginnen wir mit dem Licht…

Das Licht sehe ich vor allem in der Tatsache, dass sich die Regierungsfraktionen, aber auch die CDU, überhaupt massiv hinter das Thema klemmen. Denn die so genannte „Old Economy“ scheint angesichts des allgegenwärtigen Mega-Themas KI, also der Künstlichen Intelligenz, zuweilen etwas aus dem politischen Fokus zu geraten. Bei nahezu allen genannten 66 Forderungen kann ich mitgehen – auch, wenn viele Selbstverständlichkeiten darin enthalten sind. Aber die meisten Ansätze werden helfen, die Maritime Souveränität Deutschlands zu erhalten oder wiederzuerlangen. Und gut ist auch, wenn erkannt wird, welche Schlüsselrolle der Maritimen Wirtschaft bei den Klimazielen oder der Energieunabhängigkeit zufällt. Richtig und wichtig ist zudem der Vorstoß bei der Bergung von Munitions-Altlasten in den Meeren, zumal gerade Schleswig-Holstein hier über hohe Kompetenzen verfügt.

Und die Lücken im 66-Punkte-Plan?

Auf mich wirkt das Papier an einigen Stellen etwas aus der Zeit gefallen – genauer gesagt in die frühen 2000er Jahre, als wir noch deutlich mehr Werft-Kapazitäten hatten und  kein so ausgewachsenes Fachkräfte-Problem wie heute. Wenn etwa so getan wird, als könnten unsere Werften ab morgen oder übermorgen auf Knopfdruck hochkomplexe Offshore-Umspann-Plattformen oder Spezialschiffe wie Kabelleger bauen, dann ist das aus meiner Sicht etwas blauäugig. Das haben einige CDU-Abgeordnete in der Debatte auch sehr deutlich gemacht. Der Energiekonzern RWE etwa lässt seine nächsten Konverter-Plattformen nicht umsonst in Frankreich bauen. Unseren Werften fehlt zumeist für solche Aufträge nicht nur die Fläche, sondern angesichts ihrer mittelständischen Größe auch die Finanzierungsmöglichkeit und in weiten Teilen das entsprechende Personal. Wenn wir also verhindern wollen, dass die Wertschöpfung weiterhin im Ausland stattfindet, muss die Bundesregierung gerade auch den kleinen- und mittelständischen Werften den Einstieg in dieses Segment ermöglichen. Und das heißt: Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten schaffen. Und entsprechend auch unsere Häfen und Wasserstraßen stärken. Jeder Seehafen sollte per Straße, Schiene und Wasserweg gut angebunden sein.

Zum Thema der Konverter-Plattformen und Speizalschiffe sagte in der heutigen Bundestags-Debatte der CDU-Wirtschaftspolitiker Oliver Grundmann:

Wo konkret sehen Sie bei den Häfen oder Wasserstraßen im Norden denn Nachholbedarf?

In erster Linie beim Nord-Ostsee-Kanal. Zwar bekennt sich die Koalition mit Blick auf die Bedeutung für Energiewende und Sicherheitslage in ihrem Papier ausdrücklich zum Erhalt und Ausbau dieser Wasserstraße – nur ist über diese Worte hinaus bislang keine deutliche Finanzierungslinie absehbar. Dasselbe gilt für die Seehäfen. Wenn die Koalition heute sagt: Unsere Seehäfen sind von nationaler Bedeutung, dann muss sich das auch im Haushalt wiederspiegeln. Ebenso vermisse ich ein Wort zum Elbe-Lübeck-Kanal. Zwar kommt dieser Wasserweg nicht ansatzweise der Bedeutung des NOK gleich, aber wenn wir über Binnenland-Handelswege bei gleichzeitiger Mobilitätswende nachdenken, dann ist das eine vertane Chance. Der Elbe-Lübeck-Kanal kann beispielsweise ein ideales Testfeld für autonom fahrende Binnenschiffe sein  – denn man darf nicht vergessen: Ein Binnenschiff ersetzt bis zu 300 Lkw. Und mit Blick auf unseren starken Ostsee-Hafen Lübeck erwarte ich vom Bund auch, dass nicht nur die Elbe im Zuge des Sediment-Managements für zukünftige Schiffsgrößen befahrbar gehalten wird, sondern beispielsweise auch die Trave zwischen Ostseemündung und Skandi- oder Seelandkai.

Ein großes Thema des Beschlusses ist neben Souveränität und Klimawende auch die Ausbildung – hakt es dort aus Ihrer Sicht auch?

Und ob. Wir haben gemeinsam mit den Sozialpartnern in verschiedenen Bündnis-Formen zwar schon eine Menge Fachkräfte-Initiativen auf den Weg gebracht. Aber wie wir an der Personaldecke in allen Bereichen der Branche sehen, fehlt es immer mehr an Fachleuten. Ausbildung, aber eben auch die Jobs selbst müssen darum attraktiver gemacht werden. In Flensburg bieten wir zwei höchstwertige Studiengänge an – für Schiffsbetriebstechnik und für Nautik. Eine einmalige Chance also, qualifiziertes Personal auszubilden und die jungen Frauen und Männer als eine Art Botschafter für den maritimen Ausbildungs-Standort Deutschland auf die Weltmeere zu entsenden. Doch dazu fehlt es an Unterstützung aus der Wirtschaft – beispielsweise seitens der derzeit gut verdienenden Reedereien, die ja eigentlich ein hohes Eigeninteresse haben sollten.

Hier die heutige Rede des neuen Maritimen Koordinators der Bundesregierung, Dieter Janecek:

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