
Für angeschlagene Werften wie die Flensburger Schiffbaugesellschaft (FSG) könnte es zum wichtigen Mosaikstein im Rettungsplan werden: Sollte die Bundesregierung von ihrer bisherigen Haltung abweichen, Schiffbau-Großbürgschaften nur mit insgesamt maximal 75 Millionen Euro pro Bundesland zu unterstützen, hätte auch die Kieler Landesregierung mehr Spielraum bei Werfthilfen. Nach einer Telefonkonferenz der fünf norddeutschen Wirtschaftsminister und -senatoren am heutigen Abend ist Schleswig-Holsteins Ressortchef Bernd Buchholz vorsichtig optimistisch, dass es so kommen könnte.

Denn: Angesichts der Corona-Pandemie und den damit ausgelösten massiven Problemen zahlreicher Werften zeigte sich Bundes-Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum laut Buchholz recht offen gegenüber dem lang gehegten Ansinnen der Länder.
Buchholz sagte nach der Konferenz (Audio starten – im Browser anhören)
Bei der mehrstündigen Telefonkonferenz war sich Buchholz mit seinen Kollegen Harry Glawe (Mecklenburg-Vorpommern), Bernd Althusmann (Niedersachsen), Michael Westhagemann (Hamburg) und Kristina Vogt (Bremen) einig, dass die Corona-Pandemie die Schiffbaubranche und ihre Zulieferer in einer ohnehin sehr schwierigen Phase getroffen hat. «Die Situation war bereits seit 2015 von einer weltweit schwachen Nachfrage und von eskalierenden Handelskonflikten geprägt», sagte Vogt. Globale Marktverzerrungen und Überkapazitäten sowie der seit 2014 einbrechende Ölpreis hätten die Lage für die mehr als bundesweit 100.000 Beschäftigten der Branche zusätzlich erschwert.
Deutsche Schiffbauwerften haben sich bislang trotz struktureller Herausforderungen erfolgreich auf Nischenmärkte wie Kreuzfahrtschiffbau, Passagierschiff- und Yachtbau spezialisieren können. Durch die COVID-19 Pandemie sind nun diese Nischenmärkte eingebrochen. Analysten rechnen mit einem Ausfall in der globalen Schiffbauproduktion von bis zu 70 Prozent in 2021. Von diesen Entwicklungen sind rund 100.000 Beschäftigte im Norden betroffen.
Vor diesem Hintergrund setzen sich die Minister und Senatoren nicht nur für mehr Engagement des Bundes bei Großbürgschaften ein, sondern fordern den Erhalt der schiffbaulichen Kompetenzen in Deutschland. Konkret gaben sie Staatssekretär Nußbaum als Wünsche mit auf den Weg:
- Eine direkte Einflussnahme von Bund und Ländern auf die Wirtschaftskraft der Branche durch eine verbesserte und vorübergehend beschleunigte öffentliche Beschaffung. Die Entscheidungskriterien bei öffentlichen Vergaben sollen dabei breiter angelegt werden. So soll neben dem Preis auch das technische Konzept, Referenzen sowie Wertschöpfungsanteile stärker berücksichtigt werden.
- Den Wirtschafts-Stabilisierungsfonds auch auf den Schiffbausektor anzuwenden. So könnten die Werften und maritimen Zulieferer mit ihren zehntausenden Arbeitsplätzen als industrielle Kerne in der gesamten Wertschöpfungskette in Deutschland erhalten werden.
- Sich für die Einrichtung eines möglichst europäischen Förderprogramms zur Flottenerneuerung einzusetzen. Ziel dabei sei, mehr privatwirtschaftliche Schiffsbestellungen in Europa auszulösen, die unter gegenwärtigen Marktbedingungen nicht vorgenommen werden können, die aber zudem zum Erreichen der gesetzten Klima- und Umweltschutzziele beitragen.
Nach den Worten von Buchholz sei es gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie von entscheidender Bedeutung, eine Lösung für das seit Jahren bestehende Finanzierungsproblem im Schiffbau finden. «Gerade aktuell finden viele Werften keine Bank, die bereit ist, sie zu begleiten. Hier muss die Bundesregierung alle zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen und nachschärfen, um zu verhindern, dass Schiffbau in Deutschland aufgrund fehlender Finanzierungen zum Erliegen kommt. Dabei sind unter anderem die personelle Aufstockung der staatlichen Förderbank KfW-IPEX sowie die vollständige Aufnahme des Schiffbaus in das Großbürgschaftsprogramm des Bundes gewichtige Stützen», so der Nord-Liberale.
Weiter sagte Buchholz (hier mit seinen Kollegen Althusmann und Westhagemann)
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Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann sagte nach der Schaltkonferenz: «Die Schiffbauindustrie ist für den Innovationsstandort Hamburg und für Norddeutschland von großer Bedeutung. Sie kann wichtige Beiträge leisten auch zu unseren Zielen, die Antriebs- und Energiesysteme zu dekarbonisieren und den Klimawandel zu bremsen. Unsere Unterstützung der Industrie auf dem Weg aus der Corona-Krise müssen wir deshalb vernünftig verknüpfen mit einer besonderen Fokussierung auf Technologien im Bereich Energieeffizienz und „grüne Antriebe“, etwa Wasserstoff und E-Fuels. Ich bin froh, dass wir uns in Norddeutschland bei diesen Themen so einig sind.»
Und Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann erklärte: «Der Überwasserschiffbau wurde durch den Bundestag zur nationalen Schlüsseltechnologien erklärt, hier sollten nationale Ausschreibungen grundsätzlich Vorrang haben. Insbesondere in der aktuellen Situation halte ich es für dringend geboten, dass wir die Wirtschaftskraft der Deutschen Schiffbauindustrie stärken, indem nationale Anbieter bei der öffentlichen Beschaffung Vorrang bekommen. Dazu gehört auch, dass wir für gewissen Zeitraum Vergabeverfahren beschleunigen und Möglichkeiten der Lockerung im Europäischen Beihilfenrecht nutzen. Dabei sollten wir die besondere Situation der Schiffbauindustrie durch die Corona-Einschränkungen berücksichtigen.“