«Ich gebe nicht auf – ich gebe weiter.» Dieses Motto könnte angesichts von jährlich 1.300 zur Übergabe anstehenden Unternehmen im Norden für Betriebsinhaberinnen oder -inhaber Leitmotiv sein. Heute startete dazu eine landesweite Initiative

«Denn die Zahl der Betriebe, die ihre Nachfolge noch nicht vorbereitet haben, ist auf mittlerweile fast 60 Prozent gestiegen», sagt Wirtschafts-Staatssekretärin Julia Carstens. Es gehe also um nicht weniger als den Erhalt der mittelständischen Wirtschaft und vieler Arbeitsplätze. Heute gab Carstens gemeinsam mit IHK-Präsident Hagen Goldbeck und Lübecks Handwerkskammer-Chef Andreas Katschke den Startschuss für eine gemeinsame landesweite Nachfolge-Initiative. Gastgeberin war eine junge Unternehmensnachfolgerin: Frederike Holdhof – Geschäftsführerin der Kieler Pumpenfabrik EDUR.
«Für die Initiative haben wir uns neben den Kammern auch mit Förderbanken, Vereinen und Verbänden zusammengetan», sagt Carstens. Mehr Mut und Weitblick beim Thema Nachfolge – das sei das Ziel der Initiative. „Wir wollen informieren, motivieren und dabei besonders Frauen als potenzielle Nachfolgerinnen in den Fokus nehmen“, betonte Carstens. Und weiter – Video starten:
Die Zahl der Unternehmerinnen und Unternehmer in Schleswig-Holstein, die ihre Nachfolge noch nicht geregelt haben, ist seit 2018 deutlich gestiegen. Das ging aus einer gemeinsamen Umfrage der IHK und Handwerkskammern in Schleswig-Holstein hervor. Dort gab jeweils mehr als die Hälfte der knapp 25.000 befragten Chefinnen und Chefs an, noch nicht aktiv geworden zu sein. „Wir raten den Unternehmerinnen und Unternehmern dringend, sich frühzeitig mit der Nachfolgeregelung zu beschäftigen. Ab einem Alter von 55 Jahren ist es sinnvoll, sich auf dieses Thema vorzubereiten“, sagte die Staatssekretärin.
„Dieser Anstieg ist zwar noch nicht besorgniserregend. Da ein Übergabeprozess aber mehrere Jahre dauern kann, wird es für viele jetzt höchste Zeit, tätig zu werden“, betonte Goldbeck. „In den Handwerksbetrieben stieg der Anteil der Chefs über 55 Jahre innerhalb der vergangenen zehn Jahre von 25 Prozent auf 45 Prozent, von etwas mehr als 8.000 auf 15.000. Diese höhere Anzahl ist aber auch eine Chance für alle gründungswilligen Frauen und Männer, denn es stehen genug Angebote zur Verfügung“, ergänzte Katschke.
Die Umfrage belege das hohe Verantwortungsbewusstsein der Betriebsinhaber im Handwerk, die ihren Betrieb an einen geeigneten Nachfolger übergeben möchten. Viele Betriebsinhaber setzten sich jedoch erst spät mit dem Thema auseinander, so Katschke weiter. Dadurch steige allerdings das Risiko, keinen Interessenten zu finden und den Betrieb schließen zu müssen. Das wiederum würde den Erhalt von Wertschöpfung, Know-how und Arbeitsplätzen am Standort Schleswig-Holstein gefährden.
Laut Goldbeck stellt sich die Situation in den IHK-Unternehmen ähnlich dar. 47 Prozent der Befragten antworteten in der Umfrage: „Ich habe noch keinen Nachfolger gefunden“. Vor fünf Jahren waren es noch 35 Prozent. Auch die Nachfolge in der eigenen Familie geht in den IHK-Unternehmen deutlich zurück. 2013 kamen noch rund 60 Prozent der Nachfolger aus der eigenen Familie. Jetzt sind es der aktuellen Umfrage zufolge nur noch 36 Prozent.
„Das bedeutet, dass sich der Anteil der zum Verkauf stehenden Unternehmen immer mehr erhöht“, betonte Goldbeck. „Unternehmer müssen außer einer familieninternen Regelung auch andere Nachfolgeformen aktiv prüfen und in den Prozess integrieren. Somit kommt der Suche nach einem Nachfolger im eigenen Unternehmen oder von extern eine immer größer werdende Bedeutung zu.“

Ein Unternehmen, das zeigt, wie es funktionieren kann, ist die EDUR-Pumpenfabrik in Kiel-Wellsee. Frederike Holdhof hat die Geschäftsführung des Familienbetriebs 2021 gemeinsam mit Thomas Naß, einem langjährigen Mitarbeiter, von ihren Eltern übernommen. „Unternehmensnachfolge bedeutet nicht nur das Vergangene weiterzuführen, sondern auch Erfolgsmodelle unter veränderten Rahmenbedingungen immer wieder neu zu gestalten und in die Zukunft zu transformieren“, betonte sie. Weiter sagte Holdhof bei der heutigen Auftakt-Veranstaltung – Audio starten
Die Vertreter der Kammern stellten gemeinsam heraus, dass frühzeitiges Kümmern die Erfolgsaussichten steigere. Beide Kammern bieten ihren Mitgliedern hierzu Beratungsleistungen an. Die neue Nachfolgeinitiative will diese und weitere Beratungs- und Informationsangebote bekannter machen. Dazu gibt es ab sofort ein Nachfolgeportal.
„Es ist entscheidend, dass deutlich mehr Unternehmen bei diesem wichtigen Thema Beratungs- und Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen und somit ihr Lebenswerk erfolgreich in jüngere Hände geben. Dafür müssen wir werben,“ sagte Carstens. Zugleich betonte sie, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, für das Unternehmertum und damit auch für Übernahmen zu werben. „Wir müssen weiterhin Unternehmerinnen und Unternehmer sensibilisieren, die Übergabe rechtzeitig zu planen und geeignete Kandidatinnen und Kandidaten in der Belegschaft oder im Umfeld als mögliche Nachfolgende zu identifizieren und zu gewinnen.“