Wir werden 2018 weitere wichtige Pflöcke einschlagen 

sh:z-Interview (Ausgabe von heute) mit Minister Buchholz rund um die Themen Wirtschaft, Arbeit und Verkehr…

Sie sind vor einem halben Jahr als Seitensteiger aus der Wirtschaft ins Regierungsamt gekommen. Was haben Sie in diesem Zeitraum über den Politikbetrieb gelernt, das Ihnen vorher nicht so klar war

Vor allem die Arbeitsabläufe in der Verwaltung. Denn das in der Wirtschaft übliche denken und arbeiten in Projekten hat nicht unbedingt etwas mit den in der Verwaltung bestehenden Dienstwegen zu tun. Das war und ist für mich ein Gewöhnungsprozess. Umgekehrt mussten und müssen sich die Kolleginnen und Kollegen sicher auch auf mich einstellen. Denn die Taktzahl, mit der ich zuweilen unterwegs bin, ist vielleicht nicht für jeden normal. 

Wie oft haben Sie im ersten halben Jahr, wenn es bei den vielerlei Verkehrsthemen noch einmal mehr gehakt hat, insgeheim gedacht: Das darf doch alles nicht wahr sein

Ich wusste auch vorher, dass Verkehrsplanung nicht einfach ist. Aber dass man in gewisser Weise zum versierten Biologen werden muss, um zu verstehen, an welchen Hürden Verkehrsprojekte hängen und wie man sich darauf einlassen muss – das war schon eine interessante Einarbeitungszeit. Umso mehr bleibt meine felsenfeste Überzeugung, dass es notwendig ist, auf Bundesebene das Planungsrecht zu beschleunigen.

Mit dem Verzicht Ihrer Partei auf Plätze am Kabinettstisch in Berlin sind Sie aber weiter denn je davon entfernt, das zu beeinflussen.

Einige Dinge, die ich mir vorstellen könnte, fallen dadurch vielleicht weg. Aber es ist ja nicht zu leugnen, dass auch CDU und SPD bereits in der vergangenen Wahlperiode schon über Einzelheiten von Planungsbeschleunigung nachgedacht haben

Unmittelbar vor Weihnachten haben Sie die bundesweite Fernstraßengesellschaft DEGES ins Boot geholt, um den vertrackten Weiterbau der A 20 zu forcieren. Das ist erst einmal nur eine neue Verantwortlichkeit anstelle des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr. Inwiefern wird 2018 dadurch tatsächlich zum Jahr des Turnarounds?

Erst einmal ist mir wichtig festzustellen: Zumindest in der Mentalität ist der Turnaround bereits seit Regierungsübernahme eindrucksvoll zu sehen. Hier wird jetzt mit Druck und Dynamik nach vorne gearbeitet. Sicher, jetzt ist bei Einzelthemen wie etwa der A 20 zu hinterlegen, wieviel der Wechsel an Beschleunigung bringt.

Den neuen Zeitplan für den Weiterbau der A 20, den Sie im Sommer eigentlich für Ende 2017 angekündigt hatten, sind Sie aber schuldig geblieben.

Das ist die einzige Ankündigung aus dem ersten Halbjahr im Amt, die ich nicht realisieren konnte. Das finde ich auch schade. Aber die DEGES hat mich gebeten, das nicht zutun. Weil sie sagt: Wir wollen die Materie erst noch einmal seriös durchdringen, das ein oder andere zusätzliche Gutachten nochmal auswerten, uns ansehen, wie wir rechtssicher unterwegs sind. Dann sage ich: Das muss Priorität haben. Ein neuer Zeitplan jetzt wäre unseriös. Ich sage aber eines: Im nächsten Landtagswahlkampf in vier Jahren wird die A 20 keine Rolle mehr spielen, weil die Planung dann komplett steht.

Besonders groß war das Aufzucken der Öffentlichkeit, als als neues Hindernis für die A 20 nach dem Regierungswechsel plötzlich eine Zwergschwan-Kolonie im Kreis Steinburg aufgetaucht ist. Worauf läuft es denn eher hinaus: Umsiedeln oder tatsächlich eine veränderte Trassenführung?

Auch das wird die DEGES bewerten. Im Vordergrund steht dabei vermutlich die Frage, ob sich der Zwergschwan inzwischen in mehreren Gebieten Schleswig-Holstein angesiedelt hat und man deshalb sagen kann: So schlimm ist das dann für ihn mit der A 20 nicht.

Mehr als ein Drittel der Landesstraßen ist akut sanierungsbedürftig. Wird es für diese Großbaustelle nun der Befreiungsschlag, dass beim Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr durch die Abgabe der A 20 an die Deges Kapazitäten frei werden?

Ich bin mir ganz sicher, dass wir durch die mit der Deges gewonnenen zusätzlichen Ressourcen im Lande viel stärker Projekte anpacken können, die man früher vielleicht gar nicht erst angefasst hätte. Zwar werden wir nun nicht gleich 2018 alles aufholen können, was den Sanierungsstau bei den Landesstraßen ausgelöst hat. Aber wir werden wichtige Pflöcke einschlagen. Zum einen haben wir im Haushalt 2018 rund doppelt soviel Geld für die Landesstraßen veranschlagt wie vorher, rund 90 Millionen Euro. Das ist ein Investitionshochlauf. Und zum anderen habe ich mir vorgenommen, im ersten Halbjahr 2018 eine Strategie vorzulegen, wie und in welcher Reihenfolge wir in dieser gesamten Wahlperiode die Sanierungsfälle bei den Landesstraßen abarbeiten

Also nicht nur mehr Geld, sondern auch eine andere Herangehensweise als bisher?

Ja. Wir haben die Trennung der Landesstraßen in ein Netz eins und Netz zwei durch die Vorgängerregierung aufgelöst. Die bedeutete nämlich: Im Netz zwei, in dem die verkehrlichen Belange als nicht so vordringlich angesehen worden sind, ist überhaupt nichts gemacht worden. Dadurch ist eine Fülle von Landesstraßen still vor sich hin verrottet, obwohl sie vor Ort eine nicht ganz unerhebliche Funktion haben. Ich habe deshalb zusätzliche Kriterien für die Vergabe von Sanierungsmitteln eingeführt. Es hängt nun weniger stark an den reinen Verkehrszahlen. Eine bisherige Netz-Zwei-Straße hat jetzt auch eine Chance, wenn sie eine wirtschaftliche, eine touristische oder eine sonst wie kommunal gesehene Bedeutung hat. Dabei habe ich die Landräte einbezogen und sie gefragt: Welche Prioritäten würdet ihr in eurem Kreisgebiet setzen?

Es ist bekannt, dass der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Mühe hat, alles Stellen für Planer zu besetzen, und dass Baufirmen sich vor Aufträgen nicht retten können. Wieviel Prozent der 90 Millionen Euro werden Sie auf den Landesstraßen im neuen Jahr realistischerweise überhaupt verbauen können?

Wenn mein Anspruch am Anfang des Jahres nicht 100 Prozent wäre, dann müsste ich die 100 Prozent nicht aufschreiben. Realistischerweise wird man wohl sagen müssen: Wahrscheinlich wird nicht alles klappen. Wir werden noch viel Schweiß reingeben müssen, damit das Geld am Ende auch tatsächlich auf die Straße gebracht wird.

Für Mitte 2018 haben Sie den Planfeststellungsbeschluss für die Feste Fehmarnbeltquerung angekündigt. Sind Sie sich weiter sicher bei diesem Termin – nach all den Verzögerungen, die bei diesem hochkomplexen Projekt immer wieder aufgetaucht sind?

Sicher ist man nie, aber ich habe keine Anhaltspunkte, dass wir anders davor sein sollten.

Wie finden Sie es eigentlich, dass Millionen und Abermillionen aufgewendet werden, damit Dänemark und Deutschland näher aneinanderrücken und andererseits Dänemark die Grenzkontrollen immer weiter hochschraubt?

Das ist in der Tat ein Widerspruch in sich, den aber die Dänen auflösen müssen. Es macht wenig Sinn, viel Geld für Verkehrsverbindungen einzusetzen, um anschließend – nachdem man schnell von A nach B gekommen ist – die eingesparte Zeit an einer Grenzkontrolle zu verbringen. Und die Situation von 2015, wo man noch sagen konnte, wir sind nicht so ganz sicher, wer da ungebremst kommt – diese Situation hat sich ja entspannt. Ich erwarte eine Rückkehr zur inneren Freizügigkeit innerhalb der EU.

Anfang 2018 wollen Sie mit der Unterzeichnung eines Memorandums 65 Unternehmen, Verbände und Institutionen zu einem Bündnis für den landesweiten Glasfaserausbau verpflichten. Absichtsbekundungen für schnelles Internet gab es ja schon viele – inwiefern ist mit diesem Schritt ernsthaft die Aussicht auf einen Quantensprung verbunden?

Wir haben wohlgemerkt kein Bündnis für einen allgemeinen Breitbandausbau verabredet, sondern ein Bündnis für den Glasfaserausbau. Und Glasfaserausbau wollten bisher nicht alle Spieler, die wir jetzt bündeln. Deshalb ist es für den einen oder anderen eine Herausforderung, sich zu beteiligen. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dass die Beteiligten sehen müssen: So manches Stadtwerk, so manche private Firma, so mancher Telekommunikationsriese kann nicht mehr allein unterwegs sein, um das zu schaffen, was wir politisch für notwendig halten: Nämlich Schleswig-Holstein bis 2025 weitgehend flächendeckend ans Glasfaser zu bekommen. Das ist fünf Jahre früher als es bisher angestrebt war.

Wie soll das Bündnis aber konkret den Ausbau beschleunigen?

Ein zentraler Punkt des Memorandums ist, dass sich die Akteure wechselseitig zu einem Verzicht auf Rosinenpickerei bekennen. Dass man also nicht mehr permanent versucht, sich ins Gehege zu kommen, wenn nach einer Marktabfrage eigentlich niemand Ausbaupläne für ein Gebiet hatte – und dann aber doch Konkurrenzvorhaben startet, sobald ein anderer baut.

Und Sie sind sicher, dass das auch die Telekom unterschreibt? Das wäre ja etwas ganz Anderes als es bisher zu erleben war. 

Die Telekom ist weitsichtig genug zu erkennen, das dort, wo eine erhebliche Bewegung in die von mir geschilderte Richtung stattfindet, sie entweder Teil der Bewegung ist oder draußen vor bleibt. Sie signalisiert Kooperationsbereitschaft gegenüber vielen der Spieler in Schleswig-Holstein.

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