
Die Kieler Werft German Naval Yards wird einen zweistelligen Millionenbetrag aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes erhalten. Der Bescheid sei nach Angaben des Koordinators der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann, am Dienstag unterschrieben worden, teilte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz am Vormittag bei der Demonstration der IG Metall zur Rettung der Werften-Branche in Norddeutschland mit. Buchholz nannte keine konkrete Summe. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag.

Im Gespräch mit Journalisten sagte Buchholz am Rande der Demo weiter (Audio starten)
Der Minister unterstrich unterdessen erneut, dass die Landesregierung alles tun werde, um die Werften, die Zulieferbetriebe und Arbeitsplätze zu erhalten. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte wegen der Vorbereitungen auf die Corona-Schalte mit den Länderchefs und Kanzlerin Angela Merkel mit sehr großem Bedauern seine Teilnahme absagen müssen.
Zur Rettung der existenzgefährdeten Werften in Norddeutschland hatte die IG Metall zu einer Kundgebung vor dem Kieler landeshaus aufgerufen – fast 300 Beschäftigte aus Werften und Zulieferbetrieben demonstrierten für den Erhalt ihrer gefährdeten Arbeitsplätze.
Die IG Metall befürchtet den Verlust eines Drittels der rund 18 000 Arbeitsplätze der Werften. Die Substanz der maritimen Wirtschaft sei im ganzen Norden, aber auch gerade in Schleswig-Holstein gefährdet, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Neben Buchholz und SPD-Landtagsfraktionschef Ralf Stegner bekannte sich auch SSW-Chef Lars Harms zum Schiffbau als eine Kern- und Zukunftsindustrie im Norden. Wie ein roter Faden zog sich durch alle Redner-Beiträge die Forderung nach mehr öffentlichen Aufträgen für Behördenschiffe und die Marine hindurch.
Hier der Rede-Ausschnitt von Buchholz bei der Demo
Der mehr als fünf Milliarden Euro umfassende Auftrag für das deutsche Mehrzweckkampfschiff MKS 180 war im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung an die niederländische Damen-Werft gegangen. Gebaut werden sollen die Schiffe – unter Federführung der Niederländer – bei Blohm + Voss in Hamburg.
Die Bundesregierung habe den militärischen Schiffbau zwar als Schlüsseltechnologie eingestuft, dieser Beschluss müsse aber auch umgesetzt werden, kritisierte Buchholz. «Es darf nicht bei einem Lippenbekenntnis in Berlin bleiben.» Aufträge ins europäische Ausland zu vergeben oder europäisch auszuschreiben, sei mit diesem Grundsatzbeschluss «nicht vereinbar». Zugleich forderte Buchholz eine weitere Konzentration. Die Werften German Naval Yards, ThyssenKrupp Marine Systems und Lürssen – zu der Blohm + Voss gehört – hätten allein im miltärischen Schiffbau keine Zukunft. «Da muss es einen großen Anbieter geben», sagte Buchholz. «Dann schaffen wir auch innovativ die Auslastung der Werften insgesamt.» Im Mai hatten GNY und Lürssen eine Fusion angekündigt.
Die Demonstranten zogen am Morgen von den Kieler Werften ThyssenKrupp Marine Systems und GNY über die Hörnbrücke über die Kieler Förde hin zum Landtag. Im Parlament stand am Nachmittag auf Antrag der SPD eine Debatte über die Werftenkrise auf der Tagesordnung.
Hier die heutige Landtagsrede des Ministers zum Thema
Unterdessen gab heute die Flensburger Schiffbaugesellschaft (FSG) bekannt, dass Philipp Maracke, der zuletzt Mitglied der Geschäftsführung der German Naval Yards in Kiel war, ab kommendem Montag neuer Geschäftsführer des Unternehmens wird. Die Leitung der von Tennor erworbenen Werft gehe an einen durch verschiedene Führungspositionen in der maritimen Industrie erfahrenen Experten, hieß es. Bei German Naval Yards habe sich der 40-Jährige «eine umfangreiche Expertise im Bereich Marineschiffe aufgebaut», heißt es weiter. Zudem zähle der Einkauf zu seinen Kernkompetenzen.

Maracke sagte, die FSG habe sich im Laufe ihrer langjährigen Geschichte immer wieder als Vorreiter im innovativen Schiffbau bewiesen und besitzt großes technisches Know-how. «Auf dieses Fundament möchte ich aufbauen und gemeinsam mit der starken, motivierten Mannschaft Neues schaffen.» Ein wichtiger erster Schritt werde dabei sein zu analysieren, mit welchen Schiffstypen die Werft wirtschaftlich erfolgreich am Markt agieren kann. Anfang September war die neue FSG unter der Regie der Tennor Holding des Investors Lars Windhorst an den Start gegangen. Die seit Jahren angeschlagene Werft war bereits 2019 von der Tennor Holding des Investors Lars Windhorst zum ersten Mal übernommen worden. Durch den nochmaligen Erwerb konnte die Werft ohne die bisherigen Schulden neu beginnen. Für die alte FSG wurde am 1. August das Insolvenzverfahren am Flensburger Amtsgericht eröffnet. Rund 350 der bisher 650 Beschäftigen behielt ihren Arbeitsplatz. Der Großteil befindet sich aktuell allerdings in Kurzarbeit. Für die restlichen rund 300 wurde eine Transfergesellschaft eingerichtet.