Nur wenige Tage nach der Entscheidung für ein Flüssiggasterminal wird schon wieder bekannt gegeben, dass ein Importterminal nach Brunsbüttel kommen soll. Diesmal geht es gleich um «grüne» Energie. Wirtschaftsminister Buchholz ist begeistert.

Der Brunsbütteler Elbehafen entwickelt sich in den kommenden Jahren zu einem bundesweit bedeutenden Standort für den Energieimport. Der Energiekonzern RWE kündigte heute an, dort bis 2026 für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag ein Importterminal für klimaneutral erzeugtes Ammoniak zu errichten. Die Anlage soll in unmittelbarer Nähe des seit Jahren geplanten Importterminals für Flüssiggas (LNG) stehen, auf dessen Bau sich der Bund, der niederländische Gasnetzbetreiber Gasunie und RWE vor wenigen Tagen geeinigt hatten.
RWE-Vorstandschef Markus Krebber sprach von einem «Leuchtturmprojekt», das die ganze Wertschöpfungskette «vom Import über die Umwandlung bis hin zu Transport und Einsatz bei Industriekunden» umfassen soll. «Zum Erreichen der Klimaziele wird die Nachfrage nach grünen Molekülen in der Zukunft stark steigen», heißt es in der RWE-Mitteilung. «Um den Bedarf für die Dekarbonisierung der Industrie zu decken, braucht Deutschland neben einer eigenen Wasserstofferzeugung den Zugang zu grünen Molekülen aus anderen Teilen der Welt.»

Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) bezeichnete die Pläne in Brunsbüttel als „großartige Nachricht“. LNG sei sofort als Überbrückungstechnologie verfügbar, zum Beispiel als Heizenergie für die Haushalte. Wasserstoff sei die Zukunft, sagte er und erläuterte im Gespräch mit dem NDR weiter – Audio starten.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte: «Auch dieses Ansiedlungsvorhaben zeigt, dass die Landesregierung die Chancen der Energiewende für Schleswig-Holstein klug nutzt und die Weichen für eine grüne Industriepolitik richtig gestellt hat.» Projekte wie der Bau der Terminals seien «ein gewaltiger Sprung nach vorn» für das ganze Land. «So bringen wir grünen Strom aus der Region, Autonomie bei der Energieversorgung und Wertschöpfung auf einen Nenner.»

Auch Frank Schnabel, Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports GmbH und dem Hafenbetreiber SCHRAMM group ist begeistert: «Wir freuen uns, mit RWE einen der großen Player im Energiemarkt an unserer Seite zu haben, der in Brunsbüttel und in einem unserer Häfen dieses zukunftsweisende Projekt für den Import grüner Energie realisieren will. Wir sind bereits seit vielen Jahren mit RWE in einem regelmäßigen Austausch und nun fruchten die Gespräche in diesem Projekt. RWE ist genauso wie wir von den idealen Standortbedingungen des Industrie- und Hafenstandortes Brunsbüttel überzeugt und möchte Brunsbüttel zu einem Leuchtturm für die Dekarbonisierung der Industriegesellschaft entwickeln. Hierbei werden wir RWE tatkräftig unterstützen.»
Ammoniak ist ein stechend riechendes und giftiges Gas. Seine großtechnische Erzeugung mit Stickstoff (N2) aus der Luft und Wasserstoff (H2) ist bereits ausgereift, da es ein wichtiger Ausgangsstoff für die Produktion von Düngemitteln ist. Gegenüber Wasserstoff hat Ammoniak Vorteile. Zur Verflüssigung sind zum Beispiel geringere Minustemperaturen und geringerer Druck nötig. So lässt es sich einfacher, effizienter und kostengünstiger speichern und transportieren. Voraussetzung für «grünen» Ammoniak ist, dass für die Produktion regenerative Energien wie Windstrom eingesetzt werden. Neben Wasserstoff gilt auch Ammoniak als Kandidat für CO2-freie Antriebe, zum Beispiel in der Schifffahrt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hob erneut die Bedeutung des LNG-Terminals für die Unabhängigkeit der deutschen Energieversorgung von Russland hervor. Das RWE-Ammoniak-Projekt nannte er «ein zweites zentrales Vorhaben». «Grünes Ammoniak als verflüssigtes Wasserstoffderivat könne einen wichtigen Beitrag zur Versorgung Deutschlands mit grünem Wasserstoff leisten», wird Habeck in der RWE-Mitteilung zitiert. «Gleichzeitig können wir mit diesem Vorhaben wichtige Erfahrungen sammeln für die Umstellung von LNG auf grünen Wasserstoff beziehungsweise Wasserstoffderivate.»
Über das RWE-Terminal sollen ab 2026 zunächst jährlich rund 300 000 Tonnen Ammoniak in Deutschland ankommen und an Kunden weiterverteilt werden. «Im nächsten Schritt ist geplant, an dem Terminal einen Cracker in großindustriellem Maßstab zu errichten, um grünen Wasserstoff auch vor Ort zu produzieren.» Dieser soll dann über eine eigene Pipeline zu industriellen Abnehmern transportiert werden. Parallel dazu soll die Ammoniak-Menge auf zwei Millionen Tonnen pro Jahr ausgebaut werden.