
Kaum eine Branche spürt die Auswirkungen von Russland-Embargo und explodierenden Energiepreisen derzeit so hautnah wie Reedereien und Häfen – insbesondere Ostseehäfen wie Lübeck. Für Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen letzte Woche Grund genug, um sich mit Lübecks Hafen-Chef Dr. Sebastian Jürgens (LHG), Guido Kaschel von der Lübeck Port Authority sowie dem Geschäftsführer der Reederei TT-Line, Bernhard Termühlen, Bürgermeister Jan Lindenau und dem finnischen Honorarkonsul Bernd Jorkisch auszutauschen. Eine der wichtigsten Botschaften des Sextetts: Trotz eingebrochenen Russland-Geschäfts ist und bleibt Lübeck zentraler Knotenpunkt innerhalb der europäischen Verkehrsnetze. Der Hafen sei zudem gut und breit genug aufgestellt, um die Ostseeverkehre auch unter widrigen Bedingungen leistungsfähig und umweltgerecht zu organisieren.
Mit einiger Skepsis blicken die Hafenmanager und Reeder allerdings unter anderem auf den geplanten Nationalpark Ostsee der Landesregierung. Hintergrund: Laut Plänen des Umweltministeriums gehört zum Gebiet des künftigen Nationalparks auch die Trave-Mündung bis zum Hafen in Schlutup, wo sich bereits umfangreiche Naturschutzgebiete befinden. Für Bürgermeister Jan Lindenau hingegen bildet allein der Hafenentwicklungsplan die Grundlage, wie Naturschutz, wirtschaftliche Entwicklung und Zukunftsentwicklungen abgeglichen und in Einklang gebracht hat. «Sollte ein Nationalparkgesetz über die hier gefundenen Kompromisse hinausgehen wollen, würden wir nicht mitgehen können», zitieren die „Lübecker Nachrichten“ den Lübecker Verwaltungschef.

Ein weiteres Problem adressierte TT-Line-Chef Termühlen an Wirtschaftsminister Madsen: So würden sich die aus Sicht der Reederei zunehmend ausufernden Lotsenkosten immer mehr zum Standortnachteil entwickeln. Und noch ein anderes Problem brennt Termühlen auf den Nägeln: Um seine schwedischen Kapitäne von der Lotsenpflicht zu befreien, müssen diese umfangreiche Prüfungen ablegen. Da dies laut Vorschrift aber nur in deutscher Sprache stattfinden dürfe, scheiterten viele Schiffsführer schlicht an der Sprachbarriere. Aus Sicht von Termühlen in einer Branche, in der weltweit englisch gesprochen werde, geradezu ein bürokratischer Treppenwitz. Madsen verwies zwar auf die Zuständigkeit des Bundes, sagte aber zu, dass Thema zunächst mit seinen Amtskolleginnen und Kollegen in den fünf norddeutschen Küstenländern zu besprechen.
Ein weiteren Schwerpunkt des Arbeitstreffens waren die Perspektiven zur Weiterentwicklung der Drehscheiben-Funktion des Lübecker Hafens im Ostseeraum, die jüngst erfolgten Investitionen der TT-Line in neue Schiffskapazitäten über den Lübecker Skandinavienkai sowie die Chancen und Herausforderungen im Hinblick auf die Feste Fehmarnbeltquerung. Port-Authority-Chef Kaschel informierte über infrastrukturelle Fragen, während der finnische Honorarkonsul Bernd Jorkisch die vielfältigen seeseitigen Handelsbeziehungen mit Finnland beleuchtete.
«Wir freuen uns darüber, dass Minister Madsen schon zu Beginn seiner Amtszeit Interesse für den Hafen Lübeck zeigt und damit mehr als eine Visitenkarte abgibt», sagte LHG-Chef Jürgens nach dem zweistündigen Treffen. Und Termühlen fügte hinzu: „TT-Lines dreistellige Millioneninvestition in den Fährverkehr über Lübeck ist ein klares Bekenntnis zum Fährhafen Skandinavienkai.“
Madsen bot mit Blick auf die Entwicklungsperspektiven des Hafens die weiterhin volle Unterstützung der Landesregierung an: „Uns ist bewusst, dass Lübeck mit seiner LHG, seinen Reedereien, Speditionen und anderen angeschlossenen Betrieben für Schleswig-Holstein das größte Fracht-Tor zum Ostseeraum ist. Hier gilt es unter anderem, die riesigen Chancen des entstehenden Fehmarnbelttunnels zu nutzen, aber auch andere Wachstumsimpulse aus dem Ostseeraum aufzunehmen und in Wertschöpfung zu verwandeln.“