Die Corona-Krise schlägt auch auf die Berufsausbildung vehement durch. Tausende Lehrstellen sind noch unbesetzt. Regierung, Arbeitsagentur, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände richten einen dringenden Appell an Jugendliche und Betriebe.

Rund 9000 Ausbildungsplätze sind in Schleswig-Holstein derzeit unbesetzt. Vor diesem Hintergrund riefen Wirtschaftsstaatssekretär Thilo Rohlfs (FDP) und Bildungsstaatssekretärin Dorit Stenke (CDU) heute Schüler, Eltern und Betriebe auf, die duale Ausbildung verstärkt in den Blick zu nehmen und alle Angebote rasch zu nutzen. Bei einem Treffen in Kiel betonten Spitzenvertreter von Land, Arbeitsagentur, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden, die berufliche Bildung müsse trotz Corona-Krise dauerhaft und verlässlich gestaltet werden. Die Bündnispartner unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung
Eine qualifizierte Berufsausbildung biete jungen Menschen beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben, hieß es. Sie sei zudem ein wirksamer Schutz gegen Arbeitslosigkeit und sichere jedem Einzelnen die Teilhabe an Gesellschaft und Wohlstand.

Stenke zufolge werden in diesem Sommer knapp 28 000 junge Menschen ihren allgemeinbildenden Schulabschluss ablegen, rund 65 Prozent davon streben eine duale Berufsausbildung an. Zwar gebe es einen massiven Überhang an unbesetzten Ausbildungsstellen, trotzdem fehlten aktuell mindestens 500 Ausbildungsplätze. «Gegenüber 2019 sind insbesondere weniger Ausbildungsstellen im Verkauf, in der Lebensmittel- und Genussmittelherstellung sowie in der Gastronomie, bei Arzt- und Praxishilfen und bei Köchen festzustellen.»
Auch die Zahl der gemeldeten Bewerber sei um fast neun Prozent niedriger als im Vorjahr. Darüber hinaus sei die Zahl derjenigen, die seit März eine Ausbildungsstelle gefunden hätten, merklich geringer als in einem normalen Jahr. So hätten im April und Mai nur 1150 und damit ein Drittel weniger Bewerber eine Ausbildungsstelle gefunden.
Für dieses Jahr sei mit einem Rückgang abgeschlossener Ausbildungsverträge in Höhe von 10 bis 15 Prozent zu rechnen, sagte Rohlfs. Auslöser seien etwa die unterbrochenen Vermittlungsaktivitäten. So sei neben dem Schulbetrieb auch die Arbeit der Jugendberufsagenturen weitgehend zum Erliegen gekommen, Kontaktmessen seien abgesagt worden und auch an den Schulen habe keine Berufsorientierung stattgefunden.
«Die Unternehmen mussten ihren Fokus zunächst auf die Bewältigung der Corona-Krise legen und ihre eigene Existenz sichern», sagte Rohlfs. Zudem habe die massenhaft beantragte Kurzarbeit erhebliche Kapazitäten der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch genommen.
«Ein fehlender Berufsabschluss erhöht deutlich das Risiko, arbeitslos zu werden und zu bleiben», sagte der Vizechef der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit, Thomas Letixerant. «Während 54 Prozent aller Arbeitslosen in Schleswig-Holstein keinen Berufsabschluss haben, sind es bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nur 13,5 Prozent.»
In ganz Schleswig-Holstein stünden noch viele freie Ausbildungsplätze im Handwerk zur Verfügung, sagte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Lübeck, Andreas Katschke. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe sei trotz Corona hoch. «Um Bewerber und Betriebe auch während der Corona-Krise zusammenzubringen, haben die Handwerkskammern ihre digitalen Angebote stark ausgeweitet.» In den Online-Lehrstellenbörsen der beiden Handwerkskammern im Land seien etwa 1500 freie Ausbildungsplätze zu finden.

Vorrang habe nach wie vor die betriebliche Ausbildung, sagte DGB-Nord-Chef Uwe Polkaehn. Außerbetriebliche Auffangprogramme seien als absolut nachrangig zu betrachten. Prämien für Betriebe, die Auszubildende aus von Insolvenz betroffenen Firmen übernehmen, seien wichtige und notwendige Hilfen für Unternehmen und Auszubildende.
UVNord-Geschäftsführer Sebastian Schulze appellierte an die Betriebe: «Wir dürfen trotz erheblicher pandemiebedingter Schwierigkeiten in den Ausbildungsanstrengungen nicht müde werden.» Der Bedarf an Fachkräften werde nach der Krise zügig wieder steigen.