
In Washington war es gestern Thema zwischen US-Präsident Biden und Bundeskanzler Scholz. Heute beschäftigte es zunächst Bundeswirtschaftsminister Habeck und seine Länderkollegen. Dann dominierte es am Abend natürlich auch das traditionelle Brunsbütteler Industriegespräch: Ein LNG-Terminal in Deutschland, daran lässt selbst der Grünen-Chef trotz klar auf Klimaschutz ausgerichteter Wirtschaftspolitik keinen Zweifel mehr, ist nötiger denn je.

Ein sichtlich besorgter Habeck ging im Kreis der Sonderkonferenz der Wirtschaftsminister sogar noch einen Schritt weiter: Ein LNG-Importterminal müsse selbst dann her, wenn es nicht wirtschaftlich zu betreiben sei. Das erzwinge die Sicherheit angesichts der sich zuspitzenden Energie-Versorgungslage in Europa und der Welt – insbesondere im Gasmarkt. Klare Worte, die nicht nur einige der zuletzt wankelmütigen Investoren des geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel aufhorchen lassen dürften.
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz hatte zuvor sowohl in der Ministerkonferenz als auch am Abend beim Industriegespräch an der Westküste noch einmal die gewaltigen Chancen betont, die sich aktuell allein für Schleswig-Holstein durch die Umwälzungen im Energiebereich böten. Das betreffe in riesigem Ausmaß die Erneuerbaren Energien, aber eben auch fossile Brennstoffe wie Gas. «Ich glaube, wirklich jedem leuchtet ein, dass wir nicht gleichzeitig aus der Atomkraft und allen fossilen Energien gleichzeitig aussteigen können, wenn wir den Motor der Industrienation Deutschland nicht abwürgen wollen», so Buchholz.
Weiter sagte er im Pressegespräch mit Gastgeber Frank Schnabel von der Brunsbütteler Schrammgroup – Video starten.
Buchholz machte dabei allerdings auch deutlich, dass ein dauerhaft unwirtschaftlicher Betrieb eines Flüssiggas-Importterminals für ihn keine Option sei. «Ich bin – wie scheinbar zahlreiche Investoren auf der Welt auch – zutiefst überzeugt, dass sich so eine Anlage rechnet», sagte der Minister. Aber nur dann, wenn Geldgeber wie Kunden auch die Garantie hätten, dass so eine Anlage mindestens 20 Jahre betrieben werden könne. Und nicht, wie es mancher „Green-Deal“ vorsehe, nach sieben Jahren wieder abgebaut oder auf ökologische Stoffe umgerüstet werde.
Aus Sicht des Standortes Brunsbüttel betonte dann auch Hafenchef Frank Schnabel: «Um den wachsenden Energiebedarf Deutschlands ökologisch und ökonomisch zu decken, ist es erforderlich, weitere Infrastrukturen für den Energie-Import zu schaffen. Bei uns gibt es dazu konkrete Planungen, die uns zu einem bedeutenden Energie-Zukunftsstandort machen. LNG aus dem Weltmarkt als Ergänzung und Alternative zu Pipelinegas aus Russland stellt dabei eine wichtige und notwendige Brücke dar, bis sich grüner Wasserstoff als Zukunftstechnologie etabliert hat.»

Dies so Schnabel und Buchholz weiter, unterstreiche zum einen die Entscheidung der Europäischen Union im Rahmen der EU-Taxonomie, Gas als klimafreundliche Energiequelle zu kategorisieren, und zum anderen das Ziel der deutschen Bundesregierung, die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu senken. Allein aus diesem Grund sei die Errichtung eines LNG Import- und Distributionsterminals in Brunsbüttel von Bedeutung, da er perspektivisch auch für den Import grüner Energieträger wie etwa Wasserstoff erweitert werden könne. Zusätzlich werden täglich große Mengen regenerativer elektrischer Energie aus Windkraft – Onshore wie Offshore – an der Westküste produziert, die in Projekten wie der „Westküste 100“ auch zur Produktion von grünem Wasserstoff genutzt werden kann.
Die Verfügbarkeit von Energie stellt insbesondere für die energieintensiven Unternehmen der Industrie einen bedeutenden Standortvorteil dar. Der ChemCoast Park Brunsbüttel als größtes zusammenhängendes Industriegebiet Schleswig-Holsteins mit internationalen Konzernen und inhabergeführten Mittelständlern verschiedener Branchen wie der Chemie-, Mineralöl- und Energiewirtschaft oder auch der Logistik- und Hafenwirtschaft beeinflusst rund 12.500 Arbeitsplätze, darunter knapp 4.500 direkt am Standort. Daraus ergibt sich eine jährliche Bruttowertschöpfung von rund 870 Millionen Euro, wie jüngst in einer regionalökonomischen Studie ermittelt wurde.
Zu den Chancen eines Energie-Importterminals sagte Schnabel in einem Interview mit der Deutschen Verkehrszeitung (DVZ)

Erst am vergangenen Donnerstag hat der Deutsche Gewerkschaftsbund seine Industriestudie mit dem Ergebnis veröffentlicht, dass Wohlstand von der Industrie und seinen Arbeitsplätzen abhängt.

Dazu sagte die DGB-Nord Vorsitzende Laura Pooth: «Jetzt braucht es eine aktive Industriepolitik der Landesregierung in Kiel und eine verstärkte norddeutsche Zusammenarbeit. Der Bund hat Tempo bei wichtigen industriepolitischen Entscheidungen angekündigt, Taten müssen folgen. Und auch das Land muss diesen Schwung aufnehmen, denn die konkreten Fragen der Umsetzung der Energiewende und einer guten Infrastruktur entscheiden sich vor Ort. Dazu gehören zum Beispiel auch gut ausgestattete Planungs- und Genehmigungsbehörden, welche schnell die Grundlagen für die Investitionsentscheidungen der Zukunft treffen können. Das muss Chefsache sein. Das alles gibt es nicht zum Nulltarif, sondern erfordert auch deutlich mehr öffentliche Investitionen.»