
Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen hat wenig überrascht auf einen internen Bericht der Deutschen Bahn reagiert, der dem Schienennetz in Norddeutschland einen miserablen Zustand attestiert. «Als Symbol für den Verfall der Bahn-Infrastruktur – dem jahrzehntelang tatenlos zugesehen wurde – braucht man sich nur einmal die über 100 Jahre alte Klappbrücke in Lindaunis an der Schlei oder unsere museumsreifen Stellwerke ansehen», sagt Madsen.
Laut NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung kommt der neue Vorstandschef der DB Netz AG, Philipp Nagl, zu der Überzeugung, dass das deutsche Bahnnetz «in Teilen zu alt und zu störanfällig» sei und «zu wenig Kapazität» biete. Während das Netz bundesweit gerade mal auf die Note 2,9 kommt, fällt das Zeugnis für das Bahnnetz im Norden noch schlechter aus: «Die Region Nord weist im Jahr 2021 innerhalb der DB Netz AG die schlechteste Bewertung mit einer Zustandsnote von 3,15 auf», heißt es in dem Bericht.
Die zentralen Strecken zwischen Hamburg, Kiel und Flensburg sowie die Strecke zwischen Lübeck und Fehmarn sind demnach in besonders schlechtem Zustand. Nirgendwo sonst werden so viele Anlagen mit der Note vier oder schlechter bewertet wie im so genannten Netz Kiel – das nahezu das gesamte Streckennetz Schleswig-Holsteins umfasst.

Nach den Worten von Verkehrsminister Madsen seien die Mängel an der Infrastruktur tagtäglich auch an Zugausfällen und Verspätungen erkennbar. «Wir zahlen jedes Jahr über 100 Millionen Euro an Trassen-Entgelten – die Gegenleistung nimmt sich da ziemlich bescheiden aus», so Madsen. Ein Sinnbild für den Investitionsstau – den Nagl auf knapp 90 Milliarden Euro bundesweit beziffert – sei beispielsweise auch die Strecke Lübeck-Büchen, wo nahezu jeden Sommer wegen absackender Gleise Langsam-Fahrstellen eingerichtet werden müssen.

In einem Interview mit NDR-Info sagte Madsen am Nachmittag – Audio starten, Pfeil klicken…
Madsen sieht neben den Schatten des Verfalls aber auch durchaus Licht: «Die Invesitionsoffensive an der Marschbahn, zu der sich die DB vor einigen Jahren durchgerungen hat, läuft gut.»,
Als Beispiele für eine überaus gut funktionierende Schienen-Infrastruktur nennt Madsen das Netz der AKN, das den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein gehört, und die privat betriebene NEG. «Allein die AKN liefert uns Pünktlichkeitsquoten von über 98 Prozent», so Madsen. Der DB-Netzreport bestätige aus seiner Sicht einmal mehr, dass es in Deutschland einer gemeinwohlorientierten Schieneninfrastruktur bedürfe, so wie es der Koalitionsvertrag des Bundes auch vorsehe. Madsen weiter: «Wir appellieren vor dem Hintergrund der Zahlen an den Bund, die besonders schlechten Strecken schnellstmöglich zu sanieren. Als Land unterstützen wir den Ausbau der Schienen schon heute mit erheblichen finanziellen Mitteln. Das wird auch so bleiben.» Er erinnerte daran, dass der Landtag erst letzte Woche grünes Licht gegeben habe, die Planungen für den Ausbau der Bahnstrecke Pinneberg – Elmshorn mit knapp 17 Millionen Euro zu finanzieren.