Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) hat die erneuten Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL als „nicht mehr erträglich“ kritisiert, zumal die Gewerkschaft das Schlichtungsangebot ausgeschlagen habe. «Der Streik werde nicht nur auf dem Rücken der zigtausenden Pendler und Bahnreisenden ausgetragen, auch der Volkswirtschaft wird erheblicher Schaden zugefügt.»
Meyer sagte soeben in Berlin im Vorfeld der heutigen Sitzung des Eisenbahninfrastruktur-Beirats der Bundesregierung (Audiopfeil klicken):
Die GDL will den Schienenverkehr in Deutschland für fast eine Woche lahmlegen. Von heute Nachmittag an sollen keine Güterzüge mehr rollen, der Personenverkehr soll ab Dienstagnacht um 2.00 bis Sonntagmorgen deutschlandweit bestreikt werden. Reisende müssen sich auf sechs Tage voller Zugausfälle und ungewisser Verbindungen einstellen.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, machte unterdessen die Bahn für den achten Ausstand in der laufenden Auseinandersetzung verantwortlich: «Die Eskalation verursacht die Deutsche Bahn AG», sagte er. Der Arbeitgeber verhandele seit zehn Monaten, ohne ein Ergebnis zu wollen. «Einen Schritt vor, zwei zurück», sei die Strategie der Bahn.
Die Ersatzfahrpläne für die kommenden Tage sollten heute gegen 14.00 Uhr fertig sein und ins Internet gestellt werden. Zur Seite der DB AG hier klicken. Die Bahn werde alles unternehmen, um die Auswirkungen für ihre Kunden so gering wie möglich zu halten, hieß es. Dennoch müsse mit starken Beeinträchtigungen gerechnet werden. Beim jüngsten Streik im April waren im Fernverkehr zwei von drei Zügen und im Regionalverkehr etwa jeder zweite Zug ausgefallen.
Forderungen nach einer Schlichtung wies Weselsky erneut zurück: «Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten.» Der Einsatz eines externen Vermittlers sei nur bei Fragen wie Entgelt und Arbeitszeiten möglich. In den Gesprächen ging es bisher aber vor allem um Strukturfragen: Die GDL dringt darauf, auch für andere Berufsgruppen als Lokführer Tarifabschlüsse mit der Bahn aushandeln zu dürfen.
Scharfe Kritik an dem neuerlichen Streikaufruf kam aus der Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte die GDL auf, den angekündigten Ausstand sofort wieder abzusagen. «Der gesamten deutschen Wirtschaft drohen Schäden von täglich 100 Millionen Euro. Das Vorgehen der GDL ist verantwortungslos und vollkommen unverhältnismäßig», sagte Kramer.
Die GDL hatte am vergangenen Donnerstag das neue Tarifangebot der Bahn zurückgewiesen und einen weiteren, langen Arbeitskampf angekündigt. Die Bahn hatte angeboten, die Löhne sollten vom 1. Juli an in zwei Stufen um insgesamt 4,7 Prozent steigen. Dazu komme eine Einmalzahlung von insgesamt 1000 Euro bis zum 30. Juni.
Die GDL fordert für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche. Ein Knackpunkt für die Gewerkschaft ist die Einstufung der Lokrangierführer im Tarifgefüge der Bahn. Sie kritisiert, die Bahn wolle diese Kollegen, die etwa für das Koppeln und Entkoppeln von Zügen zuständig sind, niedriger einstufen als Mitarbeiter auf der Strecke.
Der Konflikt ist auch deshalb so schwierig, weil die GDL mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um Einfluss im Konzern ringt. Zudem will die GDL einen Erfolg erzielen, bevor das kommende Tarifeinheitsgesetz der schwarz-roten Bundesregierung die Macht kleiner Gewerkschaften beschränkt.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte den Streik. «Ich habe Verständnis dafür, dass viele Bürger über das Ausmaß verärgert sind», sagte Dobrindt der «Bild»-Zeitung (Montag).
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte in dem Blatt: «Der Tarifstreit bei der Bahn ist für Außenstehende kaum noch nachzuvollziehen. Alle Beteiligten müssen sich fragen, ob der Schaden, den dieser Ausstand anrichten könnte, noch in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Auseinandersetzung steht. Statt Deutschland lahmzulegen, brauchen wir ernsthafte Verhandlungen.»