Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein braucht unbedingt Nachwuchs bei den Fachkräften. Mit einer Kampagne werben Politik und Wirtschaft für die Vorzüge einer Lehre. Tausende Betriebe brauchen in den nächsten Jahren einen neuen Chef, weil der bisherige in den Ruhestand geht.
Junge Leute können unter Umständen mit einer Lehre schneller Karriere machen als mit einem Studium. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels starteten Politik und Wirtschaft in Schleswig-Holstein am Dienstag in Kiel eine gemeinsame Informationsoffensive über die Vorzüge der dualen Ausbildung. Sie sei ein Erfolgsmodell, betonten Bildungsministerin Britta Ernst und Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (beide SPD).
Meyer sagte nach der Pressekonferenz im Gespräch mit Carsten Kock von RSH:
Viele Schulabgänger und Eltern wüssten nicht, dass mit einer Lehre und der dazugehörenden Berufsschule nebenbei noch die Möglichkeit bestehe, einen höherwertigen Schulabschluss zu erreichen, betonte Ernst. Der gut gemeinte Rat mancher Eltern, ihr Kind sollte erst einmal weiter zur Schule gehen statt in den Betrieb, könne am Ende einen unnötigen Umweg bedeuten und Lebenszeit kosten, sagte Ernst. Auch die Gleichsetzung Studium gleich guter Beruf und gute Bezahlung stimme nicht immer. Für manche Studienabbrecher könnte eine Lehre eine bessere Alternative sein.
Tausende Betriebe im Norden brauchen in den nächsten Jahren einen neuen Chef, weil sich die Nachfolgefrage stellt. Dies könne auch eine Chance sein für junge Leute, die früh im Betrieb anfangen, betonten Klaus-Hinrich Vater, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Kiel, und der Präsident der Handwerkskammer Flensburg, Bernd Eichner.
«Es geht um die Zukunft des Arbeitsmarktes in Schleswig-Holstein, es geht um unsere Wirtschaft», sagte Meyer. Bis 2030 würden 97 000 neue Fachkräfte benötigt – davon etwa 12 000 mit Hochschulabschluss, aber 85 000 mit dualer Ausbildung.
Jedes Jahr gibt es im Norden etwa 30 000 Schulabgänger, etwa 10 000 fangen sofort ein Studium an. Im nächsten Jahr verlässt ein doppelter Abiturjahrgang die Schulen, weil ein G8- und ein G9-Jahrgang fertig wird.
Die Kampagne will Jugendliche dort erreichen, wo sie aktiv sind – etwa mit Video-Clips in sozialen Netzwerken, über Apps und auf YouTube. Radio Schleswig-Holstein (RSH) plant eine Themenwoche. Das Handwerk hat, wie Eichner betonte, bereits seit einigen Jahren eine eigene Imagekampagne mit erkennbarer positiver Resonanz.
Vater sprach von einem «Akademisierungswahn» in den vergangenen Jahren. Die Lehrberufe seien anspruchsvoller geworden. Ein Heizungsmonteur müsse heute auch in Teilen ein IT-Spezialist sein, nannte er als Beispiel.
Die Kammer-Vertreter sagten, dass weiterhin etwa 20 Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs leider nicht qualifizierbar seien. Dies könne sich das Land nicht weiter leisten.
Die neue Kampagne für die duale Ausbildung ist eingebettet in die Fachkräfteinitiative «Zukunft im Norden» mit weit mehr als hundert Initiativen bereits.